
Inhaltsverzeichnis
Disclaimer: Der folgende Blogbeitrag drückt meine persönliche Meinung und subjektive Wahrnehmung und Erinnerungen aus. Es besteht kein Anspruch auf Vollständigkeit. Der Text wurde ohne KI rein von mir geschrieben. Es wird keinen Wert auf eine perfekte Chronologie gelegt.
Der Beginn
Ich bin schon immer ein großer Fans von Open Source gewesen und habe mich seit jeher in der Magento Community wohlgefühlt. Früher habe ich mehr Zeit investiert in Magento Open Source was früher Magento Community Edition genannt wurde an Code beizutragen. Zu Beginn gab es keine Dokumentation. Man war gezwungen direkt in den Code zu schauen um zu wissen wie etwas funktioniert. Später gab es eine Video Serie mit Schulungsvideos in denen ich zum ersten Mal mit Ben Marks Bekanntschaft machte der dann später als Magento Evangelist tätig war. Ich selbst habe bereits vor der ersten Magento Version 0.8 Beta an einem Shop bei netz98 mitwirken dürfen, der eine TYPO3 mit Commerce Extension ablösen sollte. Damals war Magento das Shop System im Open Source Bereich, dass sich aufmachte um eine Lücke zu füllen. Ich erinnere mich noch daran, dass mein damaliger Azubi Daniel mir Magento zeige mit dem Hinweis, dass es auf dem Zend Framework basiert. Da wir Probleme mit dem TYPO3 System hatten und dem Kunden nicht gut erklären konnten wie die Produktpflege funktioniert entschieden wir uns Magento hier eine Change zu geben was sich später als richtig gute Entscheidung herausstellte.
Die Auswahl an freien Shop-Systemen war zu dieser Zeit aber auch stark eingeschränkt. Es gab damals Systeme wie OS-Commerce. Magento 1 hatte z.B. noch Code um den Umstieg von OS-Commerce einfacher zu machen. Das war damals ein richtiges Aufblühen der Open Source Welt im Bereich E-Commerce da die meisten Systeme Closed Source waren. Magento sollte einen steilen Aufstieg nehmen.
Zu Beginn verdiente die Firma "Magento Inc" (vorher Varien Inc.) kein Geld und es gab dann irgendwann den geheimen Investor der sich schnell als PayPal rausstellte da man nur ein Logo in der Admin Konfiguration bei den Payment Methoden sah. Das war (bewusst) nicht gut versteckt. Für die Magento Welt war damals auch X.com etwas anderes als es heute ist.
Das erste Magento Logo war noch in der Farbe Magenta.
Im Bild sieht man das Team von Varien.
Irgendwann kam Magento Enterprise auf den Markt. Magento konnte damals einfach nicht gut skalieren. Regelmäßig waren der Shop auf einmal ohne Produkte weil der Preis-Index oder Kategorie-Index mal wieder kaputt war. Da half die Enterprise Edition, die damals einen asynchronen Index und den Full Page Cache einführte. Das war auch damals das Hauptverkaufsargument für eine Enterprise Edition.
Aber zurück zur Community ...
Man hatte den Eindruck, dass alles auf Magento gewartet hatte. Es entstand etwas, was viele Staunen ließ. Es war die Magento Community geboren. Obwohl die Entwicklung von Magento ganz stark in der Ukraine stattfand und Magento Inc. ein US Unternehmen waren, war die Keimzelle der Magento Community in Deutschland.
Es entstand mit der Meet Magento, eine zentrale Veranstaltung die in Deutschland in Leipzig stattfand und die trotz des Namens nicht von Magento Inc. sondern von der Agentur netresearch und anderen engagierten Personen wie Rico Neitzel organisiert wurde. Zuletzt hatte TechDivision das Format nochmal in Leipzig organisiert.
Später wurde aus der Meet Magento dann eine internationale Veranstaltungsserie die auch in vielen anderen Ländern stattfand. Die Magento Community war schon immer international und sehr freundlich. Das ist eine der fundamentalen Stärken der Magento Community. Es entstanden nicht nur Zusammenarbeiten, Produkte sondern auch Freundschaften.
Geschäftsleute trafen auf Idealisten und es funktionierte.
So entstanden auch viele andere Formate (ich vergesse sicherlich einiges) wie Magento Stammtische, Entwickler-Konferenzen wie die Mage Titan, das Mage-Test-Fest, Hackathons, Contribution-Days, Tools, Hosting-Lösungen. Aber auch soziale Event wie der MageRun den der sportliche Brent Peterson ins Leben rief und bei dem ich hoffentlich irgendwann mal teilnehmen kann, wurden ins Leben gerufen.
Mit der Magento Imagine wurde auch eine internationale offizielle Veranstaltung ins Leben gerufen. Fast alle anderen Veranstaltungen waren im Grund aus der Community heraus organisiert worden (bis aus die Magento Live Serie später). Das war wirklich sehr speziell und vielleicht auch einzigartig.
Und welches E-Commerce System ist so beliebt, dass sich Menschen zu einem Verein wie Firegento zusammenschließen um es privat zu unterstützen? Sowas gab und gibt es nur bei Magento.
Magento 2
Mit Magento 2.0 war dann der erste große Bruch im Ökosystem da. Bis heute gibt es Entwickler die sich noch in der Magento 1 Welt z.B. mit Forks wie OpenMage eher aufgehoben fühlen. Das es überhaupt ein Magento 2 gibt, haben wir Ebay Enterprise zu verdanken da man zwischenzeitlich mal überlegte die Entwicklung einzustellen und Magento 1 weiterzuführen.
Ich selbst war sehr schnell in der Magento 2 Bubble unterwegs da ich damals mit ein paar wenigen Kollegen (u.a. Matthias Walter und Rouven Rieker) den SEAT Merchandising Shop von Magento 1 auf Magento 2 ziehen durfte (Case Study - YouTube Video). Das waren spannende Zeiten da Magento 2 damals noch sehr instabil war und wir mehrmals während der Entwicklung die Entwicklungsversion wechseln mussten. Der Shop ging dann als erster Magento 2 Enterprise Shop in Europa live. Darauf bin ich immer noch ein wenig Stolz.
Damals durfte ich auch zusammen mit Matthias Walter und Rico Neitzel das erste offizielle Magento 2 Training in London besuchen in dem wir die Ehre hatten von Vinai Kopp direkt geschult zu werden.
Die Magento Imagine war das größte reine Magento Event.
Während andere noch lange mit Magento 1 zu tun hatten, war ich damals dann direkt bei Magento 2 dabei. Durch den schnellen Erfolg mussten wir damals bei netz98 auch schneller als Gedacht viele Entwickler auf Magento 2 schulen. Damit ich selbst das Wissen hatten, portierte ich dann n98-magerun zu n98-magerun2. Erst war die Idee den Magento 2 Support in das gleiche Tool zu packen. Das stellte sich aber schnell als schlechte Idee heraus da die Code-Basis sehr unterschiedlich war. Es war kein Update sondern ein re-platforming. Anfangs hatte das Magento Code Team einfach mit einem Tool die alten (dem Zend-Standard entsprechenden) Klassennamen auf PHP Namespaces konvertiert. Da konnte ich zu Beginn einfach Klassennamen mappen (Mage_Catalog_Model_Product
auf Magento\Catalog\Model\Product
). Das war aber schnell vorbei da die Code-Basis dann umstrukturiert wurde.
Damit war n98-magerun2 geboren. Bis heute gibt es beide Tools.
Die n98-magerun2 1.0.0 wurde am gleichen Tag wie Magento 2.0 veröffentlich. Es gab damals in Mainz im extra angebieten Bereich des Fussballstadions auch eine tolle Release Party mit Liveschaltung zur Magento Live nach Australien.
Ich überspringe jetzt ein paar Jahre und komme direkt zu der nächsten großen Änderung mit dem Aufkauf der Marke Magento durch Adobe (zwischendrin gab es mehrere Besitzer).
Da ich bei einem der ersten Magento Goldpartner der Entwicklungsleiter bin und auch damals war, war es auch gesetzt sich mit dem neuen Besitzer Adobe auseinander zu setzen.
Der Hyvä Theme kommt in den Markt
Adobe hatte mit dem Aufkauf des Magento Systems natürlich auch den Tech Stack, die Core Entwickler und die Architektur übernommen. Schnell gab es hier Veränderungen an diversen Stellen. So wurde der Standort in der Ukraine, in dem die Hauptentwicklung lief, aufgelöst. Wichtige Entwickler wurden in die USA geholt.
Zu dieser Zeit war auch das PWA Thema sehr prominent. Auch Headless Architekturen bei denen das Backend und das Frontend in einer eigenen Anwendung betrieben werden, kamen auf. Bis heute werden die Begriffe und die Technologie PWA und Headless gerne durcheinander gewürfelt.
So sah die Hyvä Theme Demo im Jahr 2020 aus
Für Magento bedeutet dieser Trend, dass neue Lösungen für das Frontend auf dem Markt entstanden. Bei netz98 waren wir sehr früh mit Vue Storefront unterwegs und führten auch Tests mit dem offiziellen PWA Studio durch. Ein großer Fan von PWA Studio war ich selbst nie. Adobe, dass mit dem Experience Manager, auch eine eigenständige CMS Lösung anbietet, war selbst einer der Treiber dieser neuen Architektur. Die neue Architektur versprach Frontend Entwicklern mehr Freiheiten bei der Auswahl der neusten Framework.
In das Standard Magento Frontend, was heute gerne als Luma bezeichnet wird, wurde ab da wenig Liebe investiert. Es gab auch Aussagen, dass das Luma Frontend "deprecated" sein, was dann aber wieder dementiert wurde. Klar war aber, dass Luma ein Auslaufmodell sein wird.
Viele Entwickler fühlten sich in der neuen Headless/PWA Welt nicht zuhause, was dann einen neuen Player in den Markt bracht.
Dieser neue Player war Hyvä. Hinter Hyvä stand mit Willem Wigman ein junger und dynamischer Entwickler der offensive seine Meinung sagte. Gefördert wurde das Hyvä Projekt auch von der deutschen Firma integer_net, bei denen Willem zeitweise auch angestellt war.
Hyvä selbst hatte schnell Erfolg. Mit dem neuen Produkt Hyvä Theme wurde der alte Luma Stack mit jQuery und RequireJS durch einen zeitgemäßeren Stack ersetzt. Das Ziel war die Developer Happiness und mehr Frontend-Performance. Bei netz98 waren wir sehr früh dabei da wir auch große Vorteile in dem neuen Stack sahen. Der neue Frontend Stack beschleunigte die Entwicklung und auch der Lighthouse Score der Webseiten war viel besser. Zusätzlich vereinfachte man die sehr tief geschachtelte Blockstruktur im Magento Layout.
Inzwischen ist netz98 in der valantic aufgegangen und man ist ein Hyvä Gold-Partner geworden.
Hyvä ist nun viel mehr als ein Software Studio, dass einen Theme entwickelt. Dazu später mehr.
Mage-OS entsteht
Adobe selbst scheint bei der Übernahme von Magento nicht viel Erfahrung mit Open Source Software gehabt zu haben. Ich glaube sogar, dass man die Übernahme eines Unternehmens mit einer Open Source Software und dem entsprechenden Ökosystem unterschätzt hatte. Es war nie so, dass das Unternehmen Magento Inc. sehr kommunikativ war. Aber Magento Inc. war ein wenig greifbarer als ein Konzern wie Adobe. Man konnte auch direkt mit dem Chef sprechen.
Bei Adobe wirkte (rein subjektiv) alles etwas weniger transparent. Ich glaube, dass wir in der Magento Welt auch ein wenig verklärten Blick haben und einige schlechten Dinge auch gerne verdrängen. Es gab z.B. viele Jahre keine Dokumentation der Software. Unternehmen wie Adobe (oder auch vorher ebay) brachten auch einiges an Struktur mit die sich positiv auf die Entwicklung auswirkten. Doch insgesamt war es nicht sehr transparent. So werden bis heute in Github Links zu internen Adobe Systemen in den öffentlichen Github Issues abgelegt. Auf der Adobe-Seite arbeiten dann Entwickler und beheben Fehler, was eine tolle Sache ist. Man sieht dann aber nichts von dem was passiert und bekommt erst etwas zu Gesicht, wenn es fertig ist. Adobe ist sich des Zustands seit Jahren bewusst. Geändert hat sich aber wenig. Das ist zum Teil einfach der großen Organisation geschuldet.
Auch der Abstimmungsprozess in der Community hilft nur ein wenig. Wer schon einmal einen Pull Request eingereicht hat kann das bestätigen. Es ist alles etwas over-engineered und man wird durch erstmal durch die ganzen automatischen Qualitätssicherungsmaßnahmen erschlagen. Ich kann selbst damit umgehen. Für neue Entwicker ist das aber sicherlich sehr viel schwieriger.
Open Source Entwickler wollen Teilhabe an der Entwicklung haben. Das betrifft vor allem die Weiterentwicklung. Entwickler wollen neue Features in der Software sehen und auch selbst Code beisteuern. Es entstanden einige gute und auch nervenaufreibende Diskussionen über die Weiterentwicklung von Magento Open Source. Ich kann hier jetzt nur Bruchstücke des gesamten Verlaufs wiedergeben und lasse hier bewusst auch Informationen weg.
Viele Diskussionen mit und ohne die Magento Association, die man zwischendrin auch noch einführt hatte, führten zu einem offenen Brief zur Zukunft von Magento der von über 1.600 Menschen (inkl. mir) aus dem Magento Ökosystem unterschrieben wurden. Ausschlaggebend für diesen Brief war die Initiative von Adobe die Weiterentwicklung aus dem Magento Monolithen immer mehr zurückzubauen. Weiterentwicklungen sollten dann außerhalb des Monolithen erfolgen. Auch die schwindende Sichtbarkeit der Marke Magento war ein wichtiger Grund da Adobe die Seite magento.com auf die Adobe Seite umleitete.
Das alles und der Wunsch auch ohne einen Hersteller eine Software Distribution releasen zu können, führten zum Fork Mage-OS. Viele von mir sehr geschätzte Menschen aus der Magento Community versammelten sich bei Mage-OS. Es gab aber auch welche die aud Abstand gingen. Es fühlte sich auch nach einem Bruch an.
Zu Beginn war es ein Ziel, dass man Magento (Mage-OS) installieren kann ohne auf einen Composer Paketserver der von Adobe (mit Authentifizierung) betrieben wird, angewiesen zu sein.
Mage-OS erreichte diese technische Ziel.
Ein weniger technisches Ziel war es, dass man den Spirit der Magento Community wieder zurückholen wollte. Es war einiges verloren gegangen was die Magento Community auszeichnete. Viele Freelancer hatten Magento den Rücken gekehrt und in anderen Shop-Systemen das Heil gesucht.
Das Logo von Mage-OS hat immer noch die Farben von Magento
Für mich war klar, dass z.B. n98-magerun2 auf jeden Fall mit Mage-OS kompatible sein muss (was es auch gerade ist). Seit der Version 1.0.6 ist Mage-OS jetzt eine Distribution die auch zum ersten Mal Änderungen am Framework vornimmt die nicht Magento Open Source enthalten sind. Damit sieht man erste zaghafte Unterschiede in der Code Basis die mit Magento Open Source überwiegend deckungsgleich ist.
Inzwischen habe sind die teilweise heißen Diskussionen um Mage-OS und die Markte Magento wieder stark abgeklungen. Man sitzt an einem Tisch mit der Magento Association und Adobe und hat einen Modus der Zusammenarbeit gefunden. Adobe investiert weiterhin einen nicht unerheblichen Geldbetrag in die Pflege der Magento Open Source Codebasis.
Mage-OS agiert jetzt als eine Art Bleeding Edge Software Distribution in der jetzt auch neue Features einfließen. Der Admin-Theme wurde angepasst. Es werden neue Features entwickelt die nicht auf "Enterprise" abzielen. So gibt es jetzt einen Web-Installer. Es können Features aufgenommen werden die Adobe nicht in das System nehmen würde.
Aus Magento Enterprise ist inzwischen Adobe Commerce geworden. Trotzdem steckt immer noch ein komplettes Magento Open Source mit all seinen Modulen in jedem Adobe Commerce.
Magento ist nun wieder als Open Source System unter https://magento-opensource.com/ zu finden.
Gleichzeitig gibt es tolle Inhalte auf der Mage-OS Webseite als auch bei Adobe selbst. Entwickler hatten noch nie so viel Dokumentation zu Verfügung. Es geht also wieder etwas aufwärts.
Die Fragen die mich jetzt umtreiben sind folgende:
- In welche Richtung entwickelt sich das Ökosystem?
- Gibt es überhaupt ein Ökosystem oder sind es nicht jetzt schon zwei Ökosysteme?
- Welche Rolle spielt Hyvä?
- In welche Richtung entwickelt Adobe die Systemlandschaft?
Ich habe für mich Antworten gefunden. Ob ich richtig liege wird die Zukunft zeigen.
Das Adobe (Commerce) Ökosystem
Ich selbst bewege mich nicht nur in der reinen Open Source Welt. Das liegt einfach an meinem beruflichen Umfeld. Beruflich hatte ich es schon immer mit anderen Strukturen zu tun. So hatte ich schon früh mit dem Microsoft SQL Server oder Oracle Datenbanken zu tun die nicht quelloffen waren. Früher hatte ich auch selbst Windows Software entwickelt. Daher kenne ich auch die Welt der geschlossenen und kompilierten Software.
Auch im E-Commerce habe ich immer mit geschlossenen Systemen zu tun gehabt. Die ist für mich selbst kein Widerspruch. Als Entwickler ist es meine Entscheidung ob ich die Software offen oder geschlossen haben möchte. Persönlich finde ich den Open Source Gedanken aber einfach sympathischer. Open Source muss aber auch nicht immer kostenlos sein. Wenn wir ehrlich sind, haben wir in der Finanzierung von Open Source Software ein großes Problem.
Heute spielen oft auch SaaS eine wichtige Rolle. Meist sind sind es geschlossene Systeme und der Betrieb ist auch in einer Blackbox. Man sieht also nichts mehr von der Software. Früher hatte man für solche SaaS Lösungen auch schon. Es wurden aber andere Begriffe verwendet. Es gab den Begriffe wie Cloud oder Serveless Functions (finde ich ganz schlimm als Begriff) nicht. Trotzdem gab es damals auch schon serviceorientierte Landschaften oder den Begriff Client/Server. In großen Systemlandschaften waren schon immer Systeme entkoppelt. Wer lange in der IT tätig ist, wird die gleichen Prinzipien immer mal wieder unter anderen Namen sehen.
Da ich beruflich immer wieder mit solchen Systemen zu tun hatte und auch immer noch habe, kann ich auch die Adobe Sicht auf diese Landschaften gut verstehen.
Sehr oft geht es um Prozesse, Standardisierungen, Skalierung. Es geht darum die Kosten für Updates gering zu halten. Man macht Pläne für eine globale Infrastruktur. Es ist eben alles ein wenig größer in Enterprise-Strukturen. Es macht einen Unterschied ob ich einen kleinen Online-Shop auf einem Server und vielleicht noch einem Staging-System betreibe oder ob es vielleicht 20 Instanzen sind in denen viele Menschen und Systeme interagieren. Die Entscheidungen werden auch von großen Beratungsunternehmen getrieben. Das betrifft die Kunden von Adobe als auch Adobe selbst.
Adobe Commerce Enterprise Reference Architecture. Quelle: Adobe
Die Betrachtung ändert sich mit dem Zielvorhaben. Adobe bietet mehrere hundert Produkte in diversen Bereichen an. Als einfacher Magento Entwickler (ist nicht abwertend gemeint), ist man schnell verloren. Man muss erst verstehen für was welches Produkt überhaupt zuständig ist. Alleine dafür gibt es Berater. Ist das Produkt für mich relevant und was für Vorteile bringt mir das? Was kostet die Einführung eines Produkts? Gibt es Alternativen?
Hier stellt sich auch die Frage warum Magento von Adobe gekauft wurde. Die Antwort ist meiner Meinung nach sehr einfach. Im Bereich Digital Commerce hatte Adobe kein Produkt im Angebot. Es musste also ein Produkt her um für die immer wichtiger werdende Sparte Customer Experience und auch den E-Commerce eine Lösung anbieten zu können.
Adobe selbst war zu dem Zeitpunkt bereits sehr gut mit Produkten wie dem Experience Manager Site und Experience Manager Assets für das Content Management aufgestellt. Produkte wie Adobe Target und Adobe Analytics zum personalisieren und auch für das Tacking waren vorhanden.
Die Aufnahme eines E-Commerce Systems ins Portfolio war dringend notwendig um Kunden vollumfänglich bedienen zu können.
Da es einen gewissen Zeitdruck gab, musste eben ein System zugekauft werden.
Magento war ein System auf dem Markt, dass zu diesem Zeitpunkt erhältlich war. Einige Mitbewerber von Adobe hatten sich ebenfalls auf dem Markt bedient und Systeme gekauft. Der Unterschied war aber, dass es keine Open Source Systeme waren. Das war sicherlich auch etwas ganz besonderes für Adobe. Ziemlich zeitgleich übernahm Adobe auch Marketo (ja, es hat einen sehr ähnlichen Namen). Da Marketo schon eine SaaS Lösung war, gab es da keine Diskussionen um das Open Source Ökosystem wie bei Magento.
Die Übernahme von Adobe war auf magento.com erst nur durch das leicht angepasste Logo zu erkennen.
Adobe kaufte also nicht nur eine Software ein sondern auch ein Ökosystem, dass aus vielen Entwicklern, Agenturen und Anbietern von Integrationen beinhalte. Damit war man mit der Übernahme deutlich schneller im Markt und konnte mehr Kunden ansprechen.
Um die Produktwelt etwas besser darzustellen, wurden die Produkte in verschiedene Produktwelten einsortiert die alle mit "Cloud" im Namen enden.
Magento bzw. heute unter dem Namen Adobe Commerce wurde in die Adobe Experience Cloud einsortiert, in der auch andere passende Produkte wie Target und Analytics und die damals noch recht neue Adobe Experience Platform, einsortiert wurden.
Adobe Commerce ist ein Produkt der Adobe Experience Cloud
Da Adobe spezialisierte Produkte anbietet liegt es auf der Hand, dass man möglichst viele dieser Produkte miteinander gegenseitig integriert. Genau hier unterscheidet sich das Ökosystem. Während man in der Welt die aus der Magento-Brille schaut versucht möglichst viele Funktionen in einem Monolithen zu packen, versucht man in der Adobe-Welt alles über die spezialisierten Systeme abzubilden.
Für Adobe funktioniert das sehr gut, wenn man die komplette Kontrolle auf der Software hat. Das ist bei SaaS Lösungen der Fall. Hier kann ein Hersteller schnell Änderungen an der Basis-Software vornehmen und auch Integrationen zu eigenen Produkten schneller herstellen.
Doch wie kann ich als Kunde oder Agentur dann Änderungen vornehmen? Nur in einer Welt in der ich auf reinen Standards basiere gibt es keine Änderungen. Irgendwie muss sich aber ein Geschäftsmodell eines Unternehmens auch mal unterscheiden. In der realen Welt sind einfach Unterschiede in den Prozessen vorhanden. Es muss also eine Möglichkeit geben in der Software irgendwie Individualisierungen vorzunehmen.
Die Antwort von Adobe ist hier u.a. der Adobe App Builder. Dieser erlaubt es kleine Applikationen auf Basis von NodeJS direkt als SaaS zu veröffentlichen. Diese Applikationen kommunizieren im Idealfall nur noch über APIs mit den anderen Systemen (die auch nicht von Adobe sein können).
Jede dieser kleinen Applikation kann man als Microservice sehen. Schon ist man in der Diskussion Monolith vs. Microservice unterwegs.
Genau hier kommen die hitzigen Diskussionen her die nicht wirklich zu einem Ergebnis führen. Es haben sich Lager gebildet und man vergleicht teilweise Äpfel mit Birnen.
Ich selbst fühle mich wie Eingangs geschrieben in beiden Welten zuhause. Je nach Use Case passt das eine oder das andere. Es gibt eben nicht ein Vorgehen was immer richtig ist.
Wo bei einem kleine Händler der mit wenigen Mitarbeitern einen Shop verwaltet ein einfaches Magento System ausreichen ist, haben andere mit einem globalen Geschäft und vielleicht vielen Personen die Inhalte pflegen ganz andere Vorgaben für eine Lösung.
Aber für mich ist jetzt schon klar, dass wir bereits jetzt zwei unterschiedliche Ökosystem haben und diese in Zukunft technologisch und auch ideologisch noch weiter auseinanderdriften werden.
Ein Tipp von mir ist es hier, dass man versucht einmal durch die Brille der beiden Seiten zu blicken um dessen Entscheidungen besser zu verstehen. Wo man sich positioniert muss man selbst entscheiden. Eine Frage für mich ist auch ob ich mich weiterhin in beiden Welten aufhalten kann.
Ist Hyvä das neue Magento Inc. ?
Die Frage ob Hyvä das neue Magento Inc. wird, stelle ich mir immer wieder. Wenn man die Geschichte anschaut, dann suchen die Magento Entwickler nach Halt und Orientierung. Man sucht ein Unternehmen was greifbar ist und bei dem man noch mit den Entscheidern sprechen kann. Bei Magento Inc. war rückblickend nicht alles Gold was glänzt. Aber man hatte den Eindruck, dass man als einzelner Entwickler oder als kleinere Agentur wahrgenommen wird.
Hyvä ist inzwischen nicht nur ein Hersteller eines Themes. Es gibt Lösungen für Händler und Agenturen. Auch zu Adobe Commerce ist es kompatibel.
Für mich war das nur bedingt ein wichtiger Grund da ich selbst nie bei einer ganz kleinen Agentur gearbeitet hatte. Aber ich bekomme das von anderen mit und kann es verstehen.
Genau hier könnte Hyvä eine Lücke schließen und hat sicherlich die besten Chancen dies auch zu tun.
Mit der Ankündigung des neuen Hyvä Commerce geht man ganz stark in diese Richtung. Das Produkt Hyvä Theme wird überwiegend positiv von Entwicklern und Agenturen wahrgenommen. Mit einer eigenen Hyvä Commerce (Magento Distribution?) nähert man sich dem an was eine Magento Inc. früher war.
Ein Unternehmen, dass Entwicklungen am Magento Monolithen vornimmt und diesen in eine Richtung lenkt. Vielleicht wird es nicht immer in die Richtung gehen die man persönlich gut findet, aber es geht dann in eine Richtung und es gibt eine Instanz die Ziele vorantreibt. Und man kann mit den Menschen bei Hyvä sprechen.
Hyvä ist immer mehr zu einer Artikulation der Magento Community Entwickler geworden die gerne noch mit PHP Code am Monolithen entwickeln. Nicht jeder Entwickler möchte sich Abhängig von einem Konzern wie Adobe machen. Wenn man das Tempo betrachtet in dem Hyvä im Markt Verbreitung findet, dann ist das Ziel auch klar definiert. Mit der Einführung von Hyvä Commerce und vielleicht später mit Mage-OS als Basis, ist man komplett unabhängig.
Schon jetzt ist Hyvä ein Treiber bei allen Magento Community Events.
Mit strategischen Partnern ausgestattet und einer jetzt schon sehr Erfahren Truppe von Leuten die sich in der Magento Welt einen Namen gemacht haben, sieht alles gut für die Zukunft aus. Aus der "Entwicklerbude" Hyvä mausert sich ein ernstzunehmender Akteur, der vielleicht irgendwann als eigene E-Commerce Lösung im Markt präsent sein wird. Die Zukunft wird es weißen.
Fazit? Wie geht es weiter?
Wohin sich die Adobe- / Magento- / Mage-OS- / Hyvä- Welt entwickelt kann man nur erahnen. Für mich sind es jetzt schon zwei Ökosysteme die sich in gewissen Teilen ergänzen und auch überschneiden. Das wird sich in der Zukunft aber mehr abgrenzen.
Für mich beleibt das Jahr 2025 sehr spannend und ich werde sicherlich auch noch einen Post mit weiteren Entwicklungen schreiben. Somit gibt es kein abschließendes Fazit. Es ist alles Work in-progress.
Spürbar ist aber, dass es 2024 und 2025 deutlich mehr los ist. Das betrifft sowohl Adobe als das gesamte Magento-Ökosystem, dass aus seinem Schlaf und Selbstmitleid wieder erwacht ist. Man erkennt wieder die stärken und bietet Lösungen im Markt an.
Es gibt auch deutlich mehr Magento Events wie ein Hyvä Developer Pradise, diverse Meet Magento Veranstaltungen. Auch die Magento Stammtische haben sich wieder gefunden.
Nach einigen Jahren Pause wird es auch wieder eine Meet Magento Deutschland 2026 geben.
Ich freue mich auf jeden Fall auf alles was kommt...
PS: Wer schöne Erinnerungen an die Meet Magento sucht sollte sich bei Flickr umschauen. Dort gibt es ein paar nette Fotoalben: https://www.flickr.com/photos/meet-magento/albums